Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in dem vorliegenden Verfahren über folgenden Sachverhalt zu entscheiden (stark verkürzt).
Die Eltern der drei Kinder leben getrennt. Zunächst hielten sich die Kinder im Haushalt des Vaters auf, wechseten dann zur Mutter. Die Eltern werfen sich gegenseitig mangelde Erziehungskompetenz und Gewalt vor. Die Vorinstanz hat die elterliche Sorge dem Kindesvater zur alleinigen Ausübung übertragen, sodass die Kinder wieder in seinen Haushalt gewechselt sind. Bei seiner Entscheidung hat sich das Amtsgericht nur auf den Bericht von Jugendamt und Verfahrensbeistand bezogen und kein psychologisches Sachverständigengutachten eingeholt. Dies bemängelt das OLG Karlsruhe in der obigen Entscheidung und führt hierzu aus:
"Je stärker der Eingriff in das Elternrecht oder je schwerwiegender die Folgen der Entscheidung für das Kind sind, desto höhere Anforderungen sind an die tatrichterliche Sachaufklärung zu stellen (Hammer in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, § 163 FamFG Rn. 4). Um eine möglichst zuverlässige Grundlage für eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu erlangen, kann es insbesondere bei Entscheidungen von großer Tragweite erforderlich sein, ein psychologisches Sachverständigengutachten einzuholen (BGH, Beschluss vom 28. April 2010 - XII ZB 81/09 -, juris, 34; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.12.2023, 20 UF 175/23 - zu den Voraussetzungen einer Verbleibensanordnung; Staudinger/Coester, BGB, Neubearbeitung 2020, § 1671 Rn. 301). Dies kommt insbesondere bei der existenziellen Frage des Aufenthalts des Kindes in Betracht (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, a.a.O, Rn. 18; Perleberg-Kölbel, a.a.O., Rn. 17). Ein Absehen von der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann möglich, wenn die Sachkunde des Gerichts unter Zuhilfenahme der Fachkräfte (z.B. Jugendamt, Verfahrensbeistand) ausreicht, um die zur Ermittlung des Kindeswohls relevanten Tatsachen verlässlich beurteilen zu können (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 10. September 2009 - 1 BvR 1248/09 -, juris, Rn. 18; Schumann in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Auflage 2018, § 163 FamFG Rn. 3)"
Da in dem vorleigenden Verfahren insgesamt in die elterliche Sorge eingegriffen wurde und sich aus den Schilderungen der Mutter, aber auch des Jugendamtes ergeben hat, dass Zweifel an der Erziehungskompetenz des Vaters ebenso bestehen, wie an der der Mutter, hätte das Amtsgericht diese zum Schutz der Kinder näher aufklären müssen. Hierzu wäre die Einholung eines Erziehungsfähigkeitsgutachtens zwingend erforderlich gewesen. Dass das Amtsgericht dies unterlassen hat, stellt einen Verfahrensfehler dar. Das OLG hob das den Beschluss auf und verwies das Verfahren wieder an das Amtsgeicht, dass dort ein entsprechendes Gutachten eingeholt werden kann.
Dieser Beitrag wurde von Herrn Rechtsanwalt Christoph Wolters von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH verfasst. Herr Rechtsanwalt Christoph Wolters ist seit vielen Jahren Fachanwalt für Familienrecht und darüber hinaus zertifizierter Verfahrensbeistand. In seinem Tätigkeitsfeld als Fachanwalt für Familienrecht berät und vertritt Herr Rechtsanwalt Wolters unsere Mandanten in sämtlichen Bereichen des Familienrechts. Dazu gehören unter anderem Themen wie Ehevertrag, Scheidung, Sorge- und Umgangsrecht, Adoption, Unterhalt (einschließlich Trennungsunterhalt, nachehelichen Unterhalt und Kindesunterhalt), Schutz vor häuslicher Gewalt, sowie internationale Aspekte des Familienrechts.
Der Beitrag stellt keine anwaltliche Beratung dar und dient lediglich den Zwecken der Informationsmitteilung.
Sollten Sie Fragen haben, so wenden Sie sich bitte an Rechtsanwalt Christoph Wolters von der Rechtsanwaltskanzlei Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
Prof. Dr. Thieler – Prof. Dr. Böh – Thieler Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Bahnhofstr. 100
Gräfelfing 82166
Christoph Wolters
Rechtsanwalt
08944232990